Weihnachtskino 2024/2: Freud – Jenseits des Glaubens

Kategorie: Film-Kritik

Ich habe „Freud – Jenseits des Glaubens“ gesehen – und das war ganz schön viel

Ein herbstlicher Kino-Mittwochvormittag in Leipzig: Presse-Screening eines neuen Films mit Anthony Hopkins. Das weckt Erwartungen.

X-Verleih

Der Film spielt an einem Nachmittag im London des Jahres 1939. Sigmund Freud bekommt Besuch. Es wird seine letzte Sitzung – und muss deshalb nicht nur bedeutend sein, sondern viel bedeuten. Für diesen Film vielleicht zu viel.

Stellen Sie sich vor, Sie haben alles: die besten Schauspieler, eine ausgezeichnete Ausstattung, stimmungsvolle Locations, einprägsame Fotografie und erstklassigen Ton. Die Konstellation stimmt, die Konflikte auch. Und das Erste, was die Protagonisten sagen, sind 2024 populäre Einstein-Internet-Zitate – die Freud angeblich von Einstein auf der Couch gesagt worden sein sollen. Hallo, da sucht jemand Anschluss! Das wirkt in unserem Kulturraum fehl am Platz: Sigmund Freud braucht hier keinen Einstein, um ein faszinierender Film-Protagonist zu sein. Eben noch auf einen intellektuellen Spaß bei einem spannenden Ideenaustausch gefreut – zack, erste Warnung!

Doch dann… mehrere Lacher meinerseits und Bewunderung für die Akteure und die beeindruckende Inszenierung. Anthony Hopkins bringt den eigenwilligen, brillanten alten Freud auf den Punkt – genau richtig präsent und lebendig in Szene gesetzt. Er ist ein Mensch, und wir sind alle Menschen. Das kann ich ohne Spoiler sagen.

Konfliktreiche Themen kommen auf den Tisch. Der analytische Geist Freuds und der Glaube und die Empathie des Schriftstellers C.S. Lewis reagieren. Doch was an Tiefe angedeutet und bebildert wird, bleibt im Dialog unbearbeitet.

Insgesamt wirkt das Drehbuch überladen: Es will mehr erzählen, als es vermag zusammenzuhalten. 108 Minuten sind eigentlich genug, um einen Nachmittag der intellektuellen Auseinandersetzung lebendig und spannend zu gestalten. Ein brillantes Drehbuch hätte diesen Disput zum Leuchten gebracht und die Nebenkonflikte in Rückblenden als ergänzende Beweismittel eingesetzt.

Bitte nicht falsch verstehen: Der Rest ist wirklich brillant. Der Weg ins Kino lohnt sich allein schon, um diesen Cast zu erleben, der in cineastisch perfektem Rahmen agiert. Anthony Hopkins, Matthew Goode, Liv Lisa Fries – allesamt sehenswert.

Ab 19. Dezember im Kino. Gehen Sie am besten zu zweit oder in der Gruppe und lassen Sie den Film auf sich wirken. Eine Diskussion darüber am Weihnachtstisch wird garantiert spannend – und versöhnt mit allen Erwartungen.

Andersen Storm

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