Sicher ist sicher. Kommentieren Sie nichts.

Der Autor verfügt über ein ordnungsgemäß erworbenes Medienbildungszertifikat – unterzeichnet von einer Landesministerin und der Universität Rostock.

Ein satirischer Beitrag zur performativen Medienkompetenz

Ein Kommentar von Andersen Storm

Es ist eine beunruhigende Entwicklung: Immer mehr Menschen halten sich für Menschen mit einer Meinung. Dabei ist längst bekannt, dass Meinungen nur dann als solche gelten, wenn sie aus belegter Quelle stammen, geprüft sind und durch das demokratisch-korrekte Spektrum validiert wurden. Der Rest – also das, was sich früher als Ausdruck subjektiver Weltsicht tarnte – nennt sich heute „rechts“, „toxisch“, „Schwurbel“, „wasmitMeinung“ oder gleich: gefährlich.

Deshalb gilt: Kommentieren Sie nicht. Teilen Sie nicht. Schreiben Sie nichts. Nicht in einem Moment der Emotion, nicht im Affekt, nicht zwischen Tür und Timeline. Schreiben Sie erst, wenn Sie sicher sind, dass es jemand anderer schon gesagt hat – vorzugsweise jemand, der öfter eingeladen wird als Sie. Die eigene Stimme birgt ein Risiko. Sie könnte verrutschen. Sie könnte sich als nicht autorisiert herausstellen. Oder schlimmer: als neu.

Natürlich ist Ihnen gestattet, Haltung zu zeigen. Haltung ist ungefährlich – sie lässt sich gut drucken, recyceln, sie kennt ihre Standards. Sie müssen nur darauf achten, dass Sie Ihre Haltung nicht aus einer ungesicherten Perspektive formulieren. Denn eine Meinung ohne Mandat ist wie ein Kommentar ohne Kontext: ein Unfall mit Ansage.

In Social Media bedeutet das konkret: Kommentieren Sie ausschließlich unter Beiträgen, deren Urheber im korrekten Meinungsspektrum verortet sind. Halten Sie sich an die Linie. Kommentieren Sie nur, wenn Sie mindestens drei Likes innerhalb der ersten fünf Minuten erwarten können – andernfalls entsteht der fatale Eindruck, Sie stünden allein. Und wer allein steht, steht falsch. Das wissen auch die Algorithmen.

Kommentieren Sie niemals bei Themen, in denen Moral, Schuld oder Geschichte eine Rolle spielen. Die Wahrscheinlichkeit, versehentlich zu differenzieren, ist zu hoch. Kommentieren Sie nicht zu Fragen, die mit Sozialem zu tun haben. Schon das Wort „sozial“ kann verdächtig sein, je nachdem, in welchem Milieu Sie es verwenden. Kommentieren Sie nicht zu Fragen von Macht. Macht hat, wer nicht kommentieren muss.

Stattdessen empfiehlt sich die bewährte Strategie: Kommentieren Sie Personen, nicht Positionen. Das ist sicher. Das ist erlaubt. Am besten geht das so: „Liebe Nina, ich bewundere deine starke Haltung und deine Sichtbarkeit in aller Klarheit! Wir Frauen sollten zusammenstehen!“ Oder: „Lieber Prof. Name, das sehe ich genauso klar und kompromisslos wie Sie, mein Bester!“ Wer so kommentiert, riskiert nichts – im Gegenteil: Ein wenig Glanz färbt immer ab, selbst im Halbschatten. Und sichtbar im Regen zu stehen – mit oder ohne eigene Pellerine – war noch nie ein Karrierevorteil.

Hüten Sie sich dagegen, einem Argument zuzustimmen, das keiner kennt. Kommentieren Sie niemals eine Idee. Sie wissen nie, wer sie auch geliked hat. Oder schlimmer: woher sie kommt. Herkunft ist kein Argument, aber immer ein Verdacht.

Denn vergessen Sie nicht:
Wer meint, die Demokratie verteidigen zu müssen, ohne vorher gefragt worden zu sein, macht sich verdächtig.
Und wer denkt, dass man dazu überhaupt noch etwas sagen müsste, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.

Twisted Brains are the real ones.
Aber auch das bitte nur denken. Nicht kommentieren.

Vielen Dank.


Hinweise zur Verwendung

  • Die Kachel (Beitragsbild) darf digital wie gedruckt ohne Rücksprache verwendet, eingebettet, verändert oder diskutiert werden, solange der Name Andersen Storm genannt wird.
  • Sie kann als Aufmacherfolie, provokativer Einstieg, Pausenbildschirm, Diskursanker oder Abschlussfolie verwendet werden.
  • Eine methodische Handreichung dazu finden Sie hier
    (PDF, 163 KB)

(Zur Sicherheit: Der Autor verfügt über ein ordnungsgemäß erworbenes Medienbildungszertifikat – unterzeichnet von einer Landesministerin und der Universität Rostock. Eine Kopie sende ich Ihnen, bei plausiblem Bedarf, gern zu.)

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