Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße – Teil 3

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße Quelle: X-Verleih AG

AU WEIA MICHA – Meinungsteil

Wende-Komödie mit Substanz: Satire oder Unterhaltung?

Eine Komödie über die Wende – au weia. Das geht selten gut. Und gelernt habe ich in den letzten Jahren auch: Satire muss nicht lustig sein, ob sie es nun sein will oder nicht. Wenn allerdings eine Komödie nicht lustig ist, ist es ganz sicher Satire. Ich war vorbereitet.

Spoiler: Es ist keine Satire, sondern lustig – emotional mit Ups und Downs, und zugleich die ehrlichste Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Wende-Geschichte, die ich überhaupt gesehen habe.

Darum funktioniert dieser Wende-Film

Mit allen Raffinessen – mal subtil, mal mit der Brechstange, mal als Zitat, Filmzitat, Meta-Zitat, als Anspielung, Karikatur, Wortwitz oder schlicht als Clownerie – mit Bildwitz der kitzelt. Wer das Pech hatte sich nicht selbst spielen zu dürfen, kommt mit der Grillwurst und den Fakten, der Redaktionskonferenz, dem grauen Bart, mit seinen Vorurteilen, Naivität oder Zynismus – und mit Berlin in der Blase, trotzdem darin vor.

Schauspieler-Ensemble: Von Charlie Hübner bis Leslie Maron

Wenn ich Filme besetzen dürfte: Das Duo Charlie Hübner/Thorsten Merten wäre gesetzt. Immer. Die sind schon Olsenbande, wenn es noch gar nicht losgeht. Leslie Maron hat mich geflasht. Ja, genauso wird Politik erzählt von den Machern hinter den Türen. Überhaupt – ich könnte niemanden aus dem Cast herauspicken, der/die daneben gewesen wäre. GOOD BYE LENIN!-Qualität.

Eine Komödie mit Substanz, au weia Micha … Nein mehr noch – eine kluge Zeiterzählung als Komödie!
Das geht nur mit einem überragenden Buch. Offensichtlich gab es das. Das geht auch nur mit einem grandiosen Cast, offen und trotzdem zielsicher geführt – und auch das war es offensichtlich.

Was der Film über deutsch-deutsche Geschichte erzählt

Ich hatte so meine Fragen: Kann der Film etwas beitragen zum Selbstbewusstsein der Ostdeutschen, zum Selbstverständnis der West-Ost-Beziehungen, zur deutschen Einheit? Zum deutschen Film als Kunstform? Versinkt da wirklich jemand im Chaos der Erzählungen?

Ja, allerdings versinkt etwas. Nicht jemand. Die eine, offizielle Erzählung an sich. Die Wende war – ja, was denn nun genau? Und wer war die DDR? Und wer warst du da? Und wer entscheidet das? Es gibt eine Antwort:
Geschichte und Geschichten werden nach Verwertbarkeit geschrieben und auch erzählt.

Gut, das ist für viele jetzt nicht neu – vielen anderen könnte es aber über das Lachen, Mitfühlen und Berührtsein durch die offen präsentierten, manchmal peinlichen, immer persönlichen Geschichten und ihren Darstellungen, auch zum ersten Mal fast wörtlich „unter die Haut gehen“.

Was will man denn von einem Film mehr?

Westdeutsche Filmkultur: Die Gegenfrage

Mich als Ostdeutscher hat die Fokussierung des Films sehr angesprochen: Ostdeutsch-Sein und bleiben können ist authentisch – wenn man offen bleibt, auch für das was nicht gefällig war und ist.

Eine inhaltliche Qualität, die eine besondere Filmsprache braucht. Wolfgang Becker hatte diese. Diese Komödie hat sie. DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE – au weia Micha!

Und da sie nun in der Welt ist: Wer seid ihr im Westen eigentlich – abseits von Mittelklasse-Komödien in Hochglanzlandschaften und Sonntagskrimis?
Das ist aber eine andere Geschichte. Auf die bin ich auch gespannt.

Andersen Storm
Markkleeberg
05.11.2025


Links:


Daten zum Film:

Kinostart: 11.12.2025
Drehbuch: Constantin Lieb
Originaltitel: DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE
Produzent/in: X Filme Creative Pool
Regie: Wolfgang Becker
Hauptdarsteller: Charly Hübner, Christiane Paul

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