„Gefällt mir! …aber nur für mich.“ –

Mensch-und-Kultur.de, Kategorie: Hintergrund, Analysen

Die neue Kunst des stillen Ideendiebstahls

Früher war die Welt noch in Ordnung: Man hat einen guten Beitrag gesehen, gelacht, zustimmend genickt – und dann brav auf „Like“ gedrückt. Vielleicht sogar geteilt. Öffentlich! Mit Namen! Fast schon oldschool.

Aber heute?

Heute sehen wir einen brillanten Gedanken, ein perfekt formuliertes Posting, eine zündende Idee – und denken nur eines:

„Das könnte ich als Prompt verwenden.“

Liken war gestern

In der Ära der generativen Inhalte ist der neue Like ein stilles Copy-Paste. Kein Lob, keine Erwähnung, kein Danke. Nur ein leises: „GPT, schreib mir was in dem Stil, aber so, dass niemand merkt, woher ich’s hab.“

Klingt bekannt? Willkommen in der Welt der Content-Kleptomanie. Wo gute Ideen nicht mehr geteilt, sondern reformuliert werden. Wo „Inspiration“ bedeutet: Ich nehme deinen Gedanken, verwandle ihn leicht – und tada, mein eigener, origineller Post.

Man könnte fast sagen: Wir leben nicht mehr im Zeitalter der Creators, sondern der Prompt-Optimiererinnen*.

Die neue Bescheidenheit

Früher hat man Quellen zitiert, heute gibt man sich bescheiden: „Ach, das ist mir gerade eingefallen.“ Natürlich. Zwischen zwei Coffee-to-go und einem Scroll-Marathon auf LinkedIn.

Und wer fragt, woher die brillante Idee stammt, bekommt ein schulterzuckendes: „Naja, so ein bisschen aus dem Netz halt…“

Klar. So wie Picasso halt „ein bisschen was“ von seinen Zeitgenossen mitgenommen hat.

Willkommen in der Ära des Algorithmischen Aneignens

Die gute Nachricht: Du musst nicht mehr viral gehen, um relevant zu sein. Du musst nur gut genug sein, um kopiert zu werden. Und das ganz ohne Ruhm, aber mit maximalem Prompt-Potenzial.

Also, der neue Ritterschlag ist nicht mehr der Like – sondern das Schweigen. Denn wenn dein Post keine Reaktionen bekommt, aber plötzlich zehn Beiträge auftauchen, die verdächtig ähnlich klingen… Glückwunsch. Du wurdest promptifiziert.

Der Unterschied ist einfach nur: Du hast nichts mehr davon.

Keine Credits, kein Applaus, kein Fame. Nur ein leicht bitterer Nachgeschmack – und das Wissen, dass du jetzt offiziell zur stillen Muse der generativen Content-Wirtschaft geworden bist.

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