Ein glossischer Kommentar von Andersen Storm
Der Antrittsbesuch von Friedrich Merz bei Donald Trump hätte Anlass zur Analyse geboten. Nicht wegen des Protokolls oder der Körpersprache. Sondern weil er wie unter einem Brennglas zeigt, in welcher Verfassung sich die deutsche Öffentlichkeit und ihre Medien befinden, wenn sie mit geopolitischer Realität konfrontiert sind.
Trump ist nicht bloß ein Politiker, er ist ein Ordnungsbruch.
Sein Ziel: die politische Re-Nationalisierung Europas, die strategische Isolation Deutschlands, das Ende gemeinsamer westlicher Positionen, wenn sie seinen Interessen widersprechen. Dass dies nicht nur historische Rhetorik, sondern praktisches Kalkül ist, zeigt seine Methode: bilaterale Aufwertung einzelner Staaten, gezielte Missachtung multilateraler Strukturen, öffentlichkeitswirksame Vereinnahmung. Und mittendrin: der deutsche Kanzler, bereit zum Antrittsbesuch.
Was daraus wurde, war kein politischer Auftritt, sondern ein mediales Arrangement.
Die entscheidenden Fragen – Welche Rolle soll Deutschland künftig spielen? Wie geht Europa mit einer Macht um, die auf Spaltung setzt? Was bedeutet es, wenn die transatlantische Beziehung zur Bühne taktischer Schwächung wird? – blieben ungestellt.
Stattdessen las man über Harmonie, Tonlage, Sympathie. Es ging um Stilfragen, nicht um Interessen. Die Analyse wurde ersetzt durch Einordnung – und die Einordnung durch Beruhigung. Der Besuch galt als gelungen, weil es keinen Skandal gab. Als würde die Abwesenheit des Eklats bereits die Qualität der Beziehung belegen.
Dabei wäre gerade jetzt ein anderes Denken nötig:
Eines, das europäische Souveränität nicht als Wort, sondern als Handlungsrahmen begreift. Das Trumps Botschaft versteht – und sie nicht mit diplomatischer Höflichkeit verwechselt. Eines, das erkennt, dass geopolitische Bedeutung nicht durch Einladungen entsteht, sondern durch die Fähigkeit, sich als eigenständiger Akteur in einer veränderten Welt zu positionieren.
Und dann kam die Pressekonferenz.
Dort zeigte sich, was das Treffen wirklich bedeutete. Während Donald Trump seine verbale Offensive gegen Elon Musk fortsetzte, wurde deutlich, worum es tatsächlich ging: um die Machtkonflikte innerhalb der amerikanischen Rechten – Tech Right gegen MAGA, digital-libertärer Neuentwurf gegen klassisch-autoritäre Wiederholung. Die Bühne drehte sich um einen globalen Interessenkonflikt, in dem Deutschland nicht nur keine Rolle spielte – sondern nicht einmal mehr als Kulisse gebraucht wurde.
Friedrich Merz saß daneben. Und darin lag die Botschaft.
Denn was dort verhandelt wurde, berührt die tektonischen Verschiebungen einer postnationalen Ordnung: die Frage, wie politische Macht in einer digital fragmentierten Welt entsteht und wer über die strategische Infrastruktur dieser Welt verfügt. Dass in dieser Situation weder politische Positionierung noch mediale Einordnung aus Deutschland erfolgten, zeigt mehr über den Zustand der deutschen Öffentlichkeit als über den Zustand der transatlantischen Beziehung.
Wer in einer solchen Szene nach Augenhöhe fragt, hat nicht verstanden, dass er längst nicht mehr im Bild ist.
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